Ausflüge mit den Lehrern 1
Einmal fuhren wir mit einem großen weißen „Dampfer“, der am „Schiffchen“ anlegte zum Niederwalddenkmal zur Germania an den Rhein.
Zum Essen nahmen wir von zu Hause belegte Brote mit. Getränke konnte man sich auf dem Schiff kaufen. Mein Vater war zu dieser Zeit (von 1932 bis 1934) arbeitslos und das Geld war recht knapp. Wir hatten ja auch erst 1930 unser neues Haus bezogen. Mutti gab mir aber trotzdem die letzten fünf Reichsmark mit, die sie noch als Wochengeld hatte und sagte zu mir: „Kind, sei sparsam“! Ich kaufte mir nichts zum Trinken und brachte am Abend voller Stolz mein ganzes Geld wieder mit nach Hause. Trotzdem habe ich den Ausflug sehr genossen.
Eine Mutter, die mit ihrem Sohn auch an diesem Ausflug teilnahm, verpasste die Abfahrt des Schiffes. Sie wurden uns dann mit einem Motorboot nachgefahren.
Als die Beiden dann wieder das Schiff bestiegen, sangen alle:
„Siehste net da kimmtse,
lange Schritte nimmtse,
siehtste net da kimmtse schon
die Fraa Walter mit ihrm Sohn.“
Den Text hatten wir zuvor schnell „eingeübt“. Frau Walter war ziemlich wütend.
Ein anderes Mal besuchten wir den Zirkus „Sarrasani“ in Frankfurt. Wir gingen zu Fuß nach Bürgel und fuhren von dort mit der Straßenbahn der Linie 27 nach Offenbach. An der Ecke Karlstraße/Frankfurter Str. stiegen wir um in die Linie 16. die vom alten Friedhof kam. Dort war die Endhaltestelle der 16. Der Zirkus war ein tolles Erlebnis für uns Rumpenheimer Kinder. Die vielen wilden Tiere, die Seiltänzer und zum ersten Mal sah ich Diabolo-Spieler. Sie beeindruckten mich am meisten mit ihren Kunststücken.
Sonst kann ich mich nicht an „größere“ Ausflüge in meiner Kindheit erinnern. Ab und zu machten wir aber kleine Fahrradtouren. Leider konnten nicht alle Schüler daran teilnehmen, denn zu dieser Zeit hatte nicht jede Familie ein Fahrrad zur Verfügung. Einmal fuhren wir bis nach Dietzenbach. Von dort kam unser Lehrer Knecht (er war nicht unbedingt mein Lieblings-Lehrer!). Seine Eltern hatten dort einen Bauernhof, Lehrer Knecht hatte sehr viele Geschwister.
Einmal fuhren wir auch zur „Käsmühle“, deren Mühlrad von einem kleinen Bach angetrieben wurde. Wir durften im Wald ringsum spielen, aßen unser Pausenbrot und fuhren dann wieder zurück.
Wenn es im Sommer sehr heiß war, schrieben wir folgendes an die große Tafel:
„Der Himmel ist blau, das Wetter ist schön, Herr Lehrer wir wollen spazieren geh´n. Lieber im Wald schwitzen, als in der Schule auf den harten Bänken sitzen!“
Das konnten wir uns aber nur „beim Knecht“ erlauben. Tatsächlich erfüllte er uns auch ab und zu diesen Wunsch.
Eines Tages sollten alle Kinder aufstehen, deren Väter arbeitslos waren und es gab damals vor dem Krieg viele Arbeitslose. Auch ich war dabei. Wir wurden in die Breite Straße in eine Gastwirtschaft geschickt und erhielten je zwei Laibe Brot und eine Tüte Mehl. Freudestrahlend trug ich das Geschenkte nach Hause. Aber oh weh, mein Vater wurde sehr wütend und verbat mir noch einmal dorthin zu gehen. Er sagte, er könne seine Familie selbst ernähren und brauche keine Nazis dazu.
Ich wusste damals noch nicht, um was es überhaupt ging. Mein Vater aber hat seine Meinung bis zum Kriegsende nicht geändert.
Zeitzeugin Jahrgang 22
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