1942 verlor Rumpenheim seine Selbständigkeit und wurde eingemeindet. Eine in Rumpenheim geborene Zeitzeugin, geboren 1922, erzählt hier in loser Reihenfolge von ihrer Kindheit in diesem schönen eigenständigen Dorf:
Rumpenheim war eine kleine Gemeinde, welches ein Rathaus und einen eigenen Bürgermeister mit Gemeindeverwaltung hatte.
In Rumpenheim gab es den Gemeindediener „Schlauß“. Er ging fast täglich durch alle Straßen des Ortes mit einer großen Schelle und rief laut: „Bekanntmachung – Bekanntmachung“. Sofort gingen in den Häusern die Fenster auf, damit man hören konnte was es in der Gemeinde und auch anderswo, Neues gab.
Auch einen sog. "Feldschütz" hatten wir, der mit einer umgehängten Flinte, in der Gemarkung für Ordnung sorgte, hauptsächlich auf den Feldern, damit kein Obst, Gemüse, Kartoffeln oder Getreide gestohlen wurde. Hatten wir Kinder mal einen Apfel oder anderes Obst an einem Baum abgerissen und wurden erwischt, bekamen wir nur eine Verwarnung und keine Bestrafung, denn es war ja nur „Mundraub“. Ich habe es niemals erlebt, dass er seine Flinte benutzte.
Weiterhin gab es einen Herrn Walter, genannt „Wasserwaller“, der die Wasseruhren in den Kellern ablas.
Im großen Flur der Bürgermeisterei hingen Holztäfelchen, an denen alle wichtigen Informationen für die Rumpenheimer bekanntgegeben wurden.
Dann hatten wir in Rumpenheim das schöne weiße Schloss am Main von den Landgrafen in Hessen. Es war in meiner Jugend aber schon lange unbewohnt, jedoch noch voll möbliert.
Hin und wieder kamen Adlige, um im Schloss zu wohnen. Ein Zeichen für anwesende Gäste war, dass die Fensterläden geöffnet waren.
Der sehr gepflegte Schlossgarten durfte nur zu festgelegten Öffnungszeiten besucht werden. Die Aufsicht über das ganze Anwesen hatte der „Kastellan Wendland“. Er war ein großer stattlicher Mann, er wohnte mit seiner Frau in einem Außentrakt des Schlosses. Sein Hauseingang war jedoch innerhalb des Schlossgartens. Er saß, wenn der Park für Besucher geöffnet war, in seinem Büro, das direkt neben dem großen Eingangstor lag. Wir Kinder hatten größten Respekt vor ihm. Er kontrollierte immer, ob wir Blumen oder blühende Äste abrissen und mit nach Hause nehmen wollten.
Später wurde der Kastellan befördert und hieß dann „landgräflicher Landgraf“. Nach seinem Tod wurde er an der Längsseite der evangelischen Schlosskirche im Schlossgarten beigesetzt.
Auf seinem Grabstein, in Form eines aufgeschlagenen Buches lautet die Inschrift:
Linke Buchseite:
„Hier ruht in Gott der der landgräfliche Landgraf Robert Wendland, geb. 06.03.1857, gest. 1934. Durch die Gnade seines durchLauchtigsten Herren fand er hier seine letzte Ruhestätte!
Rechte Buchseite:
„Hier ruht in Gott seine Ehefrau Luise Wendland, geb. 06.03.1863, gest. 1945. Gott dein Wille ist heilig.“
Alle Mitglieder der gräflichen Familie fanden ihre letzte Ruhestätte hinter der Stirnseite der Schlosskirche, nachdem sie aus dem Mausoleum umgebettet wurden. Nach dem Tod von Herrn Wendland kam dann Herr Fischer. Er war nur noch Schlossverwalter und hatte auch keinen weiteren Titel.
Zeitzeugin Jahrgang 1922
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